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Alltäglicher Ausnahmezustand

ZAG

In dem Sammelband »Alltäglicher Ausnahmezustand« beleuchtet die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt – KOP den institutionellen Rassismus in deutschen Strafverfolgungsbehörden. KOP hat sich 2002 gegründet. Anfänglich darauf konzentriert, Betroffenen über einen Rechtshilfefonds bei der Klage gegen Polizist*innen zu unterstützen, nahm nach und nach die Dokumentation von Fällen rassistischer Polizeigewalt mehr Raum ein. Sie ermöglichte durch ihre detaillierte Beschreibung der Ereignisse und Situationen sowie den Darstellungen aus der Perspektive der Opfer nicht nur gegenüber Ministerium und Polizeidirektion zu argumentieren, sondern bietet auch die Chance eine eigene Erzählung über Leiden und Erfahrung zu etablieren, abseits der Sprache von Jurist*innen.

Dass der Begriff Racial Profiling in Deutschland bekannt wurde, hat viel mit der Arbeit von KOP zu tun. Dieser Sammelband fasst die vielfältigen Überlegungen und Diskussionen zur Arbeit und Beratung Betroffener, zur Öffentlichkeitsarbeit sowie zum Agenda Setting zusammen. Dabei taucht immer wieder die Frage politischer Optionen und der Verstetigung der Kampagne auf. Wie können wir gegen institutionellen Rassismus vorgehen? Kann die Polizei sich selbst kontrollieren? Wer bezahlt die Arbeit und wie viele Ressourcen stehen für die Aufklärung zur Verfügung? Wie wird Polizeigewalt in anderen Staaten angegangen?

Nach 15 Jahren ist klar, dass die Strafverfolgungsbehörden nur ein geringes Interesse haben, der Ursache von Polizeigewalt auf den Grund zu gehen. Institutioneller Rassismus existiert für sie nicht – selbst nach dem geheimdienstlichen und polizeilichen Desaster rund um die Morde des NSU.

In acht Texten kommen Aktive der Kampagne zu Wort. Sie stellen die Schwierigkeiten mit den Begriffen des institutionellen Rassismus und rassistischer Kriminalisierung dar, dass dies in Ermittlungsverfahren und Gerichtsprozessen kein Thema ist, wie Betroffene von der Beratung und Unterstützung profitieren, welche Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit und öffentlichen Diskussion dieses Themas gesetzt sind und wie sich anhand der Erzählung und der Dokumentation von Fällen rassistischer Polizeigewalt typische Muster der Eskalation analysieren lassen. Den Abschluss bilden zwei Analysen aus Kanada und England.

Das Buch erweitert den schmalen Rahmen der Literatur zum Thema Polizeigewalt. Es gibt Einblick in eine beispielhafte Kampagnenarbeit und ermöglicht es vielleicht auch andernorts solche Unterstützungsstrukturen aufzubauen.    

»Alltäglicher Ausnahmezustand: institutioneller Rassismus in deutschen Strafverfolgungsbehörden«, Kampagne für Opfer Rassistischer Polizeigewalt (Hrsg.), Reihe kritik_praxis, Band 3, Münster: edition assemblage, 2016. 141 Seiten, 9,80 Euro. ISBN 978-3-942885-79-9.

 

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