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Indien als Hindusthan?

Die indische Demokratie vor der Herausforderung des Hindunationalismus

Clemens Jürgenmeyer

In Indien herrscht seit Mai 2014 eine hindunationale Regierung unter Premierminister Modi, nachdem die Bharatiya Janata Party (BJP) als Sieger aus den Parlamentswahlen hervorgegangen war. Seither häufen sich die Klagen über die zunehmende Intoleranz und Aggressivität hindunationaler Aktivisten, die mitunter rabiat gegen Andersdenkende vorgehen und dabei auch nicht vor tödlichen Attacken zurückschrecken. Grundlegende Bürgerrechte wie Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit seien bedroht. Die Times of India spricht sogar von einem soft fascism, der sich in Indien breit mache. In der Tat haben sich in der jüngeren Vergangenheit beunruhigende Ereignisse zugetragen, wie die folgenden drei Beispiele zeigen.

Indiens säkulare demokratische Verfasstheit wird ohne Zweifel durch hindunationale Politiker und Aktivisten herausgefordert. Auch die kulturelle Vielfalt des Landes wird in Frage gestellt. Es erhebt sich die Frage, ob diese Bedrohung existenzieller Natur ist und die hindunationalen Kräfte Indien zu einem Hinduland, zu einem Hindusthan, umformen können. Warnende Stimmen gibt es zuhauf in der indischen Öffentlichkeit, viele reden sogar von einem sich ausbreitenden Faschismus.

Es gibt jedoch grundlegende Elemente der indischen Gesellschaft, die dieser eher pessimistischen Einschätzung der Lage entgegen stehen und sich dem hindunationalen Gesellschaftsentwurf wie seiner Politik weitgehend entziehen. Sie erlauben, ein optimistisches Bild der Entwicklung zu zeichnen. Die indische Tradition des argumentativen Austauschs, der religiösen und kulturellen Vielfalt und somit das säkulare und demokratische Indien werden – so meine These – Bestand haben und der Herausforderung des Hindunationalismus gewachsen sein.

Geschichte

Die Ursprünge des Hindunationalismus reichen bis 1875 zurück, als die neo-hinduistische Organisation Arya Samaj (Gesellschaft der Arier) gegründet wurde. Im Jahr 1915 entstand dann die Hindu Mahasabha (Große Vereinigung der Hindus), und 1925 folgte die elitäre Kaderorganisation Rashtriya Svayamsevak Sangh (RSS, Nationale Freiwilligenunion), die bis auf den heutigen Tag das organisatorische und ideologische Rückgrat des Hindunationalismus bildet. Die Bharatiya Janata Party (BJP) wurde 1951 unter dem Namen Bharatiya Jan Sangh (Indische Volksunion) gegründet und im Jahr 1980 umbenannt. Weitere wichtige hindunationale Organisationen sind u.a. die Vishva Hindu Parishad (VHP, Rat aller Hindus; gegr. 1964) und deren Jugendorganisation Bajrang Dal (Truppe des Gottes Hanuman; gegr. 1984). Diese Organisationen bilden zusammen die RSS-Familie und spielen verschiedene Rollen im Rahmen einer gemeinsamen Strategie, ein hinduistisches Indien zu schaffen. Die meisten der BJP-Politiker sind gleichzeitig Mitglieder des RSS.

Ideologie

Alle hindunationalen Organisationen teilen die nationalistische Ideologie des Hindutums namens Hindutva. Sie zielt auf den Zusammenschluss aller Hindus und die Ausgrenzung der Muslime und Christen ab. Indien, so sagen die Hindunationalisten, sei das Land der Hindus, die indische Nation eine Hindunation. Inder zu sein, heiße Hindu zu sein. Hindutva, das Hindutum, sei die nationale Identität Indiens. Muslime und andere Minoritäten seien der indischen Nation fremd. Die innere Einheit der Hindus speise sich aus der homogenen Hindukultur, die auf der Gemeinsamkeit des Territoriums, der Abstammung und der Kultur beruhe und seit ewigen Zeiten bestehe. Oberstes Ziel hindunationaler Politik ist die Wiedererrichtung einer starken Hindunation, des alten, reinen und wahren Hindutums. Diese Hindutva-Ideologie wurde in ihrer klassischen Form bereits 1923 von dem Brahmanen V.D. Savarkar (1883–1966) formuliert und von der BJP in dem Slogan »One Nation, One People and One Culture« eingängig verdichtet. So wird die indische Nation hinduisiert und der Hinduismus nationalisiert.
Diese Vorstellung einer gemeinsamen territorialen, genealogischen und kulturellen Basis der Hindunation bildet also den Kern der Ideologie und Politik des Hindunationalismus. Zunächst in Reaktion auf den britischen Kolonialismus entstanden, gründet er auf dem Gefühl der eigenen Unterlegenheit. Die tieferen Ursachen hierfür sehen die Hindunationalisten in der fehlenden Einheit der Hindus und im Abfall vom alten, wahren Hindutum. Daher müssten sich die Hindus zusammenschließen und stark werden, um sich gegen die ständige Bedrohung durch ihre Feinde, vor allem Muslime und Christen, verteidigen zu können. Die glorreiche Hinduvergangenheit mit ihrem zeitlosen kulturellen Erbe müsse wieder zum Leben erweckt werden, um das Elend der Gegenwart zu überwinden und der Gefahr entgegenzuwirken, im eigenen Land zur Minderheit zu werden. Es ist also die Angst vor der eigenen Schwäche, die die Hindunationalisten so demonstrativ die Einheit und Stärke der Hindus betonen lässt.

Die wesentlichen Ursachen für das Erstarken des Hindunationalismus sind in den sozio-ökonomischen Veränderungen zu suchen, die sich in einem Prozess der Modernisierung mit all seinen Widersprüchen herausgebildet haben, dem die indische Gesellschaft seit längerem unterworfen ist. Die Hindunationalisten versuchen hierauf eine Antwort zu geben. Der Hindunationalismus kann interpretiert werden als ein Versuch, die Moderne neu zu definieren, indem Tradition und Moderne miteinander versöhnt werden. Ökonomischer Fortschritt und materieller Erfolg werden in eine traditionelle Interpretation der glorreichen, wieder zu errichtenden Hindukultur eingebunden. Das fremde Neue und das eigene Alte sollen neu zusammengefügt werden, um der befürchteten kulturellen Entwurzelung Einhalt zu gebieten. Der ökonomische Wettbewerb wird aufgehoben in der Vorstellung einer harmonischen Gesellschaft der Gleichen, in welcher Vertrauen, Solidarität und gegenseitige Achtung vorherrschen. In diesem Sinn ist der Hindunationalismus modern und traditionell zugleich.

Indien als Hindusthan?

Trotz des Wahlerfolgs der BJP bei den letzten Parlamentswahlen, welcher der Partei eine absolute Mehrheit im Parlament, der Lok Sabha, beschert hat, gibt es gute Gründe, die gegen einen Sieg des Hindunationalismus auf breiter Front sprechen. Drei Aspekte scheinen hier von Bedeutung zu sein.

Erstens ist die hindunationale Bewegung in Indien keineswegs ein monolithisches Gebilde, sondern inneren Gegensätzen und Spannungen ausgesetzt, die sowohl auf der ideologischen als auch auf der politischen Ebene auftreten. Je mehr Anhänger die Hindutva-Bewegung zählen kann, um so mehr machen sich die Spannungen zwischen den RSS und seinen disziplinierten Kadern, der BJP und den bunt zusammengewürfelten, religiösen Führern und Mitläufern der anderen hindunationalen Organisationen bemerkbar. In den Augen eines gut geschulten RSS-Mitglieds oder eines BJP-Politikers müssen diese nicht selten mit einem Wickeltuch bekleideten, lange verfilzte Haare tragenden, zuweilen mit Asche beschmierten Personen geradezu als Inbegriff undisziplinierten Individualismus und fehlender Organisation gelten, mit denen auf Dauer keine verlässliche Kooperation möglich ist. Das Selbstverständnis des RSS als Kaderorganisation und Hüter der reinen Hindutva-Ideologie verträgt sich nur bedingt damit, diese Personen als gleichberechtigte politische Partner zu akzeptieren. Ebenso wenig kann die BJP, vor allem dann, wenn sie in der Regierungsverantwortung steht, blindlings den Aktionen der hindunationalen Organisationen folgen, da sie sonst Gefahr läuft, die politische Kontrolle über die Hindutva-Bewegung zu verlieren. Allerdings darf sie auch nicht den Anschein erwecken, als bremsende Kraft zu wirken, die die Aktionen der Aktivisten hintertreibt. Dieses Dilemma birgt für die BJP stets die Gefahr, Opfer ihres eigenen politischen Erfolgs zu werden. Die zumindest vordergründige ideologische Zähmung der BJP hat sich sehr deutlich in den Jahren 1998 bis 2004 gezeigt, als die BJP an der Spitze einer heterogenen Koalition mit über zehn Regionalparteien darauf verzichtete, um des Machterhalts willen zentrale Elemente hindunationaler Politik durchzusetzen.

Auch innerhalb der BJP, die ja stets ihre innere Geschlossenheit gerade im Unterschied zur Congress Party und den anderen Parteien betont, gibt es divergierende Strömungen. Radikale Hindutva-Anhänger und moderate Politiker rangeln um Macht und Einfluss und versuchen, ihre Positionen durchzusetzen. Dabei spielen auch persönliche Ambitionen und Zerwürfnisse eine Rolle, wie sie bereits Anfang der 1990er Jahre in Madhya Pradesh deutlich zu Tage getreten sind. Diese gipfelten damals in dem Parteiausschluss der prominenten Hindutva-Aktivistin und BJP-Politikerin Uma Bharati, die ihren arrivierten, männlichen Kollegen mangelnde ideologische Standfestigkeit und politisches Versagen vorwarf. Inzwischen ist Uma Bharati wieder zur BJP zurückgekehrt und hat in der jetzigen Regierung ein Ministeramt inne. Narendra Modi muss dauernd versuchen, zwischen diesen verschiedenen Richtungen und Gruppen eine mittlere Position einzunehmen. Er darf weder die hart gesottenen Hindutva-Politiker noch die eher pragmatisch orientierten Gefolgsleute vergraulen, die jenseits der Ideologie Indien in eine moderne, industrielle Zukunft führen und zu einer zentralen Macht in der Weltpolitik machen wollen. Dieser Balanceakt erklärt auch, warum Modi selbst nicht in hindunationalen Tönen schwelgt, sondern sich eher als weltgewandten Modernisierer gibt und gleichzeitig die Scharfmacher und Aktivisten gewähren lässt. Die Heterogenität der eigenen Gefolgschaft erfordert diese Art von Politik, die allerdings stets die Gefahr des Misserfolgs in sich birgt, da sie nicht allen Interessen und Wünschen gerecht werden kann.

Heterogenes Indien

Zum zweiten liegt die Hindutva-Ideologie quer zur indischen Tradition. Der Hindunationalismus strebt danach, eine starke homogene Hindunation zu errichten. Diese behauptete Homogenität der indischen Kultur, des Hindutums, steht jedoch in auffallendem Gegensatz zu der Heterogenität dessen, was allgemein als Hindukultur bzw. Hinduismus bezeichnet wird. Seine Vielfalt ist sprichwörtlich, es gibt weder eine grundlegende Schrift, die dem Koran oder der Bibel vergleichbar wäre, noch einen verbindlichen Korpus von Schriften, in dem die Grundüberzeugungen festgelegt wären. Hingegen existiert eine fast unübersehbare Masse an mündlichen und schriftlichen Überlieferungen in vielen Sprachen, die sich in einer ebenso unübersehbaren Vielzahl der Götter, Göttinnen, Dämonen, Rituale und Zeremonien zeigt. Hier eine Gemeinsamkeit der Werte und Handlungen zu konstruieren, ist schlechterdings unmöglich und läuft dem eigentlichen Wesensmerkmal des Hinduismus, seiner Heterogenität, zuwider. Das einzige, negativ bestimmte Definitionsmerkmal der Hindukultur ist ihre fehlende Uniformität. Nicht umsonst bleiben die Hindutva-Ideologen die Antwort auf die Frage weitgehend schuldig, wie denn die postulierte gemeinsame Kultur der Hindus aussehe. So erweist sich der Vorstoß der Außenministerin Sushma Swaraj im Dezember 2014, die Bhagavadgita zur ›nationalen Schrift‹ (rashtriya granth) zu erheben, als ein Akt der Hilflosigkeit und schlichten Unkenntnis der hinduistischen Tradition, der zwar die anderen Religionsgemeinschaften düpiert, aber an der Vielfältigkeit der religiösen und kulturellen Überlieferung nichts ändert. Das Konzept der Kulturnation ist direkt aus dem Westen übernommen und wird zugleich von den Hindunationalisten stets heftig kritisiert. Mithin handelt es sich beim Hindunationalismus nicht um ein genuin indisches Geschöpf, sondern um eine Form des »geistigen Diebstahls«, wie Benedict Anderson es treffend auf den Punkt gebracht hat.

Dieser äußeren Vielfalt des Hinduismus entspricht eine innere auf der Ebene des Individuums. Wie Ashis Nandy und Peter Gottschalk aufgezeigt haben, zeigt sie sich in einer vielschichtigen und fluiden Identität, die verschiedene primordiale Bindungen und Orientierungen innerhalb eines offenen Selbst aufweist. Sie können je nach Situation mal stärker, mal schwächer zum Vorschein kommen. Ein Hindu ist eben nicht nur Mitglied einer bestimmten Glaubensgemeinschaft mit ihren je eigenen Ritualen, festen, Göttern, heiligen Stätten und Tempeln, sondern gleichzeitig auch ein Mitglied seiner Familie, seines Clans, seiner Kaste und Klasse in einem bestimmten geographischen Raum. Ein Inder ist nicht nur Bürger der indischen Republik mit einem gesamtindischen Bewusstsein, sondern gleichzeitig Bürger eines in der Regel sprachlich definierten Bundesstaats, also z.B. Marathe, Bengale, Oriya, Tamile, seiner Stadt, seines Wohnviertels oder seines Dorfes. Das differenzierte und flexible Arrangement verschiedener primordialer Bindungen und Gruppenzugehörigkeiten zu einer multiplen Identität erlaubt es dem einzelnen, im weiten Feld der gelebten kulturellen und sozialen Heterogenität Indiens immer wieder seinen Platz zu finden und mit anderen Volksgruppen, Religionen und Kulturen zu interagieren, indem er diese oft in sein eigenes Selbstbild mit aufnimmt. Diese Flexibilität und Vielschichtigkeit primordialer Bindungen liegt quer zu einer modernistischen, objektiv definierten Vorstellung einer kompakten Nation und eines entsprechenden Nationalbewusstseins, wie sie den Hindunationalisten eigen ist.

Die Differenz als konstitutives Merkmal des Hinduismus gilt zum dritten auch für das soziale Leben. Hierarchische Werte und institutionelle Ungleichheit bilden das Kernstück der indischen Kultur und Gesellschaft. Nicht nur die feinen, sondern auch die groben Unterschiede prägen den sozialen Alltag. Daher ist es ebenso verwunderlich wie verständlich, dass die Hindunationalen die Unberührbarkeit als der Hindutva fremd ansehen und die Hindugesellschaft als eine große Familie, als ein organisches Ganzes, apostrophieren, in der soziale Konflikte, egoistisches Streben und individuelle Einsamkeit keinen Platz haben. Die soziale Realität Indiens wird jedoch nicht dadurch gleicher, dass die Gleichheit herbeigeredet wird. Die harte Lebensrealität verleiht solchen Gesellschaftsentwürfen wenig Glaubwürdigkeit. Kurzfristig ist es zwar möglich, mit hinduistischer Symbolik und nationalistischer Demagogie eine beachtliche Zahl von Menschen zu mobilisieren, langfristig kann eine solche Politik jedoch keine allgemein akzeptierte Antwort auf die drängende soziale Frage in Indien liefern, wo die Mehrheit der Bevölkerung kaum über das Nötigste zum Leben verfügt. Das Versprechen nationaler Größe und Einzigartigkeit allein macht die Hungrigen nicht satt. Aufmerksamkeit erheischende Aktionen sind kein Ersatz für die Dinge des täglichen Lebens, die zu liefern die indischen Wähler von den Hindunationalisten ebenso einfordern wie von allen anderen Parteien.

Alle Versuche, die nicht vorhandene Einheit zu postulieren und mit Inhalt zu füllen, wirken daher wenig überzeugend. Der gelebte Alltag des Hinduismus lässt sich nicht mit dem Postulat eines uniformen Hindutums in Einklang bringen. Die Idee eines homogenen Hindutums in einer ebenso homogenen Hindunation – one nation, one people and one culture – ist ein politisches Identitätskonstrukt, eine Art moderner Mythos, der auf religiös-kulturelle Inhalte und Symbole selektiv zurückgreift und von oben her einen Wertekonsens erschaffen möchte. Er bietet für die drängenden Probleme Indiens keine angemessene Lösung und liegt quer zur pluralistischen Verfassung der indischen Gesellschaft. Ein nachhaltiger Erfolg der nach Uniformität strebenden Hindutva-Bewegung wäre nur dann zu erwarten, wenn es ihr gelänge, die vielfältigen Lebensformen und religiös-kulturellen Identitäten der indischen Bevölkerung zu homogenisieren – ein unrealistisches Vorhaben, das einer Art Kulturrevolution in der auf Jahrtausende zurückreichenden Hindutradition gleichkäme.

BJP Wahlerfolge:
noch nicht aller Tage Abend

Bislang zumindest konnten die Hindunationalen bei den zahlreichen gesamtindischen Wahlen in den letzten 25 Jahren die Mehrheit der Wähler nicht von ihrem Programm überzeugen. Es war, von 2014 abgesehen, stets eine Minderheit von maximal 25 % der Wähler, die ihre Stimme hindunationalen Parteien und Politikern gegeben haben. Bei den letzten Parlamentswahlen im Mai 2014 hat die BJP im Vergleich zu 2009 ihren Stimmenanteil deutlich von 18,8 auf 31 Prozent der abgegebenen Stimmen steigern können, der sich dann dank des herrschenden Mehrheitswahlrechts in eine absolute Mehrheit in der Lok Sabha umgesetzt hat. Mithin haben trotz des äußerlich fulminanten Wahlsiegs der BJP bei den letzten Wahlen zwei Drittel der Wähler nicht für hindunationale Parteien und Politiker gestimmt. Dies lässt für die nächsten Wahlen im Jahr 2019 hoffen, denn viele Wähler, das haben zahlreiche Umfragen vor und nach der Wahl gezeigt, haben die BJP und Modi nicht wegen der Hindutva-Ideologie gewählt, sondern wegen der Erwartung, dass nach der langen Phase der politischen Stagnation unter der Congress-Regierung die Wirtschaft wieder in Schwung kommen, notwendige Reformen durchgesetzt und der allgemeine Lebensstandard sich verbessern werden – allesamt sehr pragmatische und handfeste Gründe jenseits einer reinen Hindutva-Ideologie. Und sollte die Regierung Modi nicht das liefern, was sie in Aussicht gestellt hat, kann sich das Pendel sehr schnell in die andere Richtung bewegen und die BJP aus dem Amt fegen. Diese Erfahrung musste sie schon einmal im Jahr 2004 machen.

Kurzum: Es ist noch nicht aller Tage Abend. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die indische Demokratie auch vor der Herausforderung des Hindunationalismus bestehen wird. Sie verfügt über genügend Flexibilität und Widerstandskraft, um extremen politischen Bewegungen und Parteien gegenzusteuern und in die zentristische Grundströmung der indischen Politik einzubinden. Die sprichwörtliche multikulturelle Verfassung des Landes und die gesunde Skepsis der Wähler gegenüber ihren Politikern bieten hierfür die beste Gewähr.


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