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Alles normal

Lange hat es gedauert, doch nun kommt sie, die "Was tut sich zu Schengen - ZAG". Trotz der bunten Wunderwelt der Technik waren für diese Ausgabe unerwartete Schwierigkeiten auf dem internationalen Parkett zu überwinden. Nun wird ein Beitrag zu England in die nächste Ausgabe verschoben, andere werden vermutlich nie erscheinen - irgendwann muß das Heft eben doch 'mal raus.

Doch die Zeit zwischen den Heften verstrich auch anderswo nicht ereignislos. Die arme fehlgeleitete Jugend in Dessau fand zum Beispiel die Zeit, ihrem mörderischen Hobby nachzugehen. Der folgende mediale Aufschrei erfolgte zwar noch, aber der Alltag kehrt inzwischen immer schneller zurück. Die Öffentlichkeit gewöhnt sich an rassistischen Mord und Totschlag - das nennt sich dann Normalisierung.

Normalisierung war auch, was der sogenannte 'Kritische Dialog' von Außenminister Kinkel in den Beziehungen zum Iran erreichen wollte, Außenminister Fischer setzt da noch einiges drauf. Daß von der sozialdemokratischen Seite keine Skrupel zu erwarten waren, war klar, daß von den Grünen niemand die 'konstruktiven Gespräche' Fischers mit den Repräsentanten eines weitestgehend international isolierten, mörderischen 'Gottesstaat' bremsen wollte, ist bezeichnend. Der frühere Vorwurf an die FDP, Anpassung als Profil zu verkaufen, trifft die Grünen nicht. Möllemanns Spruch über die zu erwartende Einführung von Tempo 300 auf Antrag der Grünen, ist in Sachen Menschenrechten viel zu kurz gegriffen. Da kann von Anpassung keine Rede mehr sein, da existiert einfach keine Schmuddelgrenze mehr, da ist Tempo 3000 schon längst Realität. Wenn's der Wirtschaft dient ...

Damit auch alles im grünen Bereich ganz normal bleibt, war für den Anschein von Kritik im Vorfeld des Khatamibesuchs die Heinrich-Böll-Stiftung zuständig. Sie übernahm diese Simulation mit Bravour, lud regimenahe Oppositionelle ein und arbeitete bestens mit der iranischen Botschaft zusammen. Daß alles dennoch im Eklat endete, ist den OrganisatorInnen nicht vorzuwerfen. Sie hatten wirklich alles versucht zu gewährleisten, daß wirklich nur Jubelperser Eingang fänden - die Kooperation mit der Polizei funktionierte und die späteren Verhaftungen von einigen Teilnehmern im Iran ist ein ungewollter und unerquicklicher Nebenaspekt - vielleicht war ihre Kritik an der Islamischen Revolution doch etwas grundsätzlicher als erwünscht.

Daß in Österreich sowieso alles völlig normal ist, haben wir nie bezweifelt. Die Zeichen mehren sich, daß dies demnächst auch offiziell festgestellt wird. Seit wann sind denn Faschisten in der Regierung unnormal?

Ja und dann hat Herr Schily ja auch genug Zeit gefunden, den Traum aller Sklavenhalter auf einen zeitgenössischen Nenner zu bringen. Bei der normalisierten Einwanderungspolitik heißt's jetzt: die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten ins Töpfchen.

Total normal auch, daß die Fluchthelfer die Schuldigen des englischen Flüchtlingsdramas sind - nicht etwa die europäische Abschottungspolitik, die Flüchtlinge zu immer risikoreicheren Fluchtwegen zwingt. Ganz normal deshalb die Forderung die Grenzen noch dichter zu rammeln, dann liegen die Toten vor dem Zaun und nicht vor der Tür.

Dem allgemeinen Bedürfnis zur Normalisierung entspricht auch der Fortgang der Untersuchungen zum Lübecker Brandanschlag. Nachdem er nun fast gänzlich aus der Wahrnehmung entschwunden ist, sich alles normalisiert hat, tauchen neue Aspekte und Zeugen bezüglich der jungen Männer mit angesengten Haaren und seltsamen Alibis auf. Denn so ganz ungeschoren, sollen die Kurzgeschorenen, die das bürgerliche Ästhetikgefühl und staatliche Gewaltmonopol verletzen, ja doch nicht davonkommen.

Normal voll
Eure ZAG

 

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